Denkraum Kunstgeschichte

 Methodik

GESCHICHTE UND METHODEN DER KUNSTGESCHICHTE

Überblickstabelle, NICHT VOLLSTÄNDIG!!!

METHODE  / ANSATZ KUNSTHISTORIKER,
SCHRIFT(EN) - AUSWAHL
VORGEHEN UND KENNZEICHEN TEXTBEISPIELE / WERKBEISPIELE
Kunstgeschichte als Künstlergeschichte Giorgio Vasari (1511-1574) Biographien (Vite) einzelner (v.a.) italienischer Künstler, z.T. gemischt mit Anekdoten und Topoi; Konzept der Kunstgeschichte: Einteilung in 3 Entwicklungsabschnitte, Höhepunkt der Kunst mit Michelangelo in der ‘terza maniera‘; Hervorhebung des ‘disegno’ (vs. ‘colore’) Giorgio Vasari: Das Leben des Leonardo da Vinci

Carl Justi
(1832-1912) Diego Velázquez und sein Jahrhundert, 1888

Künstlerbiographie, Künstler als Genie herausgestellt

Carl Justi:  Beschreibung Las Meninas
Kunstgeschichte als Geschichte eines Ideals Johann Joachim Winckelmann (1717-1768)

Gedanken über die Nachahmung  der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst, 1755

Geschichte der Kunst des Altertums, 1764
griechische Antike als Höhepunkt und Ideal

als Vorbild auch für die neu zu schaffende Kunst

(Freundschaft Winckelmanns mit dem Maler A.R.Mengs)
Beschreibung des Torso von Belvedere

Vorrede aus den Beschreibungen der geschnittenen Steine des verstorbenen Barons von Stosch
Kunstgeschichte als Formengeschichte Giovanni Morelli (1816-1891): Ivan Lermolieff: Kunstkritische Studien über italienische Malerei. 3 Bände. 1890-93. detaillierte Beschreibung der Form(en) einzelner „unbewusst“ ausgeführter, Werk immanenter Elemente für die Werkzuschreibung  
Kunstgeschichte als Stilgeschichte Alois Riegl (1858-1905)

Stilfragen, 1893

Spätrömische Kunstindustrie, 1901
Begriff des ‘Kunstwollens’- Künstler als „Exekutor des Kunstwollen seines Volkes“;

gleichwertige Betrachtung aller Kunstgattungen und aller Stile;

keine Orientierung an einem Ideal -> keine wertende Beurteilung , sondern historisches ‘Rückverfolgen’ von der Gegenwart aus: wichtig ist, was Folgen in der Geschichte zeitigt;

Gegensatzpaar haptisch - optisch

(d.h. tastendes Sehen - sehendes Sehen)

-> vergleichende Betrachtung
Auszüge aus Spätrömische Kunstindustrie

Vergleiche: Cicero-Portrait, c.70/60 v.Chr. versus Portrait eines jungen Römers (aus Ostia), c.160 n.Chr

Maillol, Sitzende  versus

Rodin, L’Homme qui marche
Kunstgeschichte als Stilgeschichte Heinrich Wölfflin (1864-1945)
Kunsthistorische Grundbegriffe,1915
Entwicklung eines Klassifizierungssysthems anhand der Gegenüberstellung von Werken der Renaissance und des Barock

Gegensatzpaare:
linear - malerisch
Fläche - Tiefe
geschlossene Form - offene Form
> Vielheit - Einheit
Klarheit - Unklarheit
Auszüge aus Kunsthistorische Grundbegriffe

Werkbeispiele von

Dürer / Rembrandt-Kreis, Botticelli / Veronese, Giuliano da Sangallo / Francesco Borromini, Leonardo da Vinci / Caravaggio, Bronzino / Velázquez
Strukturanalyse Hans Sedlmayr (1896-1984)

Die Schauseite der Karlskirche in  Wien (z.B. in: Epochen und Werke, Bd.2)

Gestaltetes Sehen, 1925

Verlust der Mitte, 1948
Betrachtung des Einzelkunstwerkes;

Zusammenfassen von Form und Bedeutung eines Werkes in der Betrachtung der Einzelelemente, ihrer Bezüge zueinander und zum Werkganzen; Erfassen des Sinn-Gehaltes, bildgerechte Interpretation auf mehreren Ebenen
Schauseite der Karlskirche, Wien

P.Breughel d.Ä., Der Blindensturz
Ikonik Max Imdahl (1925-1988)

Barnett Newman, Who is afraid of Red, Yellow and Blue, 1971
Ikonik als eine bildgerechte Analyse, die über Stilanalyse und eine Ikonographie hinausgeht, dabei die Besonderheiten des einzelnen Werkes herausstellt d.h. das, was nur durch das Werk (nicht durch einen Text) formuliert werden kann; Verbindung von „sehendem Sehen und (wieder)erkennendem Sehen“ Barnett Newman,

Who is afraid of Red, Yellow and Blue
Ikonographie / Ikonologie
Erwin Panofsky (1892-1968)

Studies in Iconology, 1939

Meaning in the Visual Arts, 1955
Drei-Stufen-Modell:

1. vorikonographische Beschreibung

2. ikonographische Analyse

3. ikonologische Deutung

Erwin Panofsky: Ikonographie und Ikonologie (1955)
Politische Ikonographie
Martin Warnke (1937-) untersucht Kunstwerke im Hinblick auf ihre politischen Botschaften
Martin Warnke u.a.: Handbuch der politischen Ikonographie (2011)
Ikonologie / Kulturgeschichte Aby Warburg (1866-1929)

Bildniskunst und florentinisches Bürgertum, 1902

Italienische Kunst und Internationale Astrologie im Palazzo Schifanoja zu Ferrara, 1912
das Bild als Ausdrucksträger des ‘sozialen Gedächtnisses’;

(Auf)Suchen von (antiken) Form-Motiven, die im Laufe der Kunstgeschichte - zu verschiedenen Zeiten und in den verschiedensten Bereichen - aufgegriffen werden

(‘Pathosformeln’)
Aufbau und Themenbereiche der Warburg-Bibliothek (seit 1933 in London, Warburg and Courtauld Institutes)

Ghirlandaio-Fresken in der Sta Trinità, Florenz

Wandmalereien im Palazzo Schifanoia, Ferrara
Kunstgeschichte als Kulturgeschichte Jacob Burckhardt (1818-1897)

Die Kultur der Renaissance in Italien, 1860
Kunstgeschichte als ein Teil der Kulturgeschichte

Fragestellung / Ansatz:

Wie spiegelt sich die Kultur einer Gesellschaft in ihren Kunstwerken wider?

(ital.) Renaissance als Modell;

in der Beurteilung eher ethischer als ästhetischer Kriterien
Aufbau der Kultur der Renaissance
Kunstgeschichte als Sozialgeschichte Arnold Hauser (1892-1978)

Soziologie der Kunst, 1974
 
Michael Baxandall (1933-2008)

Die Wirklichkeit der Bilder. Malerei und Erfahrung im Italien des 15.Jahrhunderts, 1972 (dt. 1987)

Peter Burke (1937-)
Tradition und Erfindung Die Renaissance in Italien. Sozialgeschichte einer Kutur zwischen Tradition und Erfindung, 1972 (dt. 1984)
Analyse der künstlerischen Ausdrucksformen einer Gesellschaft in Hinblick auf die Beziehung zwischen Gesellschaft und Künstler
 
Frage nach den Entstehungsbedingungen für Kunstproduktion und Kreativität,
Frage nach der (Aus)Bildung eines spezifischen Stils und visueller Gewohnheiten;
Untersuchung anhand von  Dokumenten zur ökonomischen, sozialen und politischen Situation
Textauszug aus Die Wirklichkeit der Bilder
Kunstgeschichte als Funktionsgeschichte
Kunst. Die Geschichte ihrer Funktionen, hg. von Werner Busch und Peter Schmoock. (1987) untersucht den Wandel der verschiedenen - v.a. religiösen, ästhetischen, politischen und abbildenden - Funktionen, die eine Kunstwerk zugeschrieben werden;

Funktionsgeschichte will „das Verhältnis erhellen, das zwischen den jeweiligen historischen Rahmenbedingun-gen der Kunst und ihrer individuellen Erscheinung besteht“ (Busch)
Werner Busch: Die Kunst und der Wandel ihrer Funktion. Zur Einführung in die Themenstellung, in: Kunst [..] 1987, S.3-7
Semiotische Kunstwissenschaft Felix Thürlemann (1946-)

Vom Bild zum Raum. Beiträge zu einer semiotischen Kunstwissenschaft, Köln 1990
Frage nach der Verwendung von  Zeichen innerhalb bestimmter Kontexte historische Konventionen des menschlichen Handelns und Denkens Felix Thürlemann: Nicolas Poussin, Die Mannalese – Staunen als Leidenschaft des Sehens, in: Wolfgang Brassat, Hubertus Kohle: Methoden-Reader  Kunstgeschichte, 2. Aufl., Köln 2009, S. 148-150
Rezeptionsästhetik Wolfgang Kemp (1946-)

Der Anteil des Betrachters. Rezeptionsästhetische Studien zur Malerei des 19.Jhs, 1983
Wolfgang Kemp (Hg.):
Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Köln 1985
(Neuauflage 1992)
Frage nach der Betrachterfunktion und wie diese im Werk angelegt ist -

Frage nach dem ‘impliziten Betrachter’
Wolfgang Kemp: Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, in: Wolfgang Kemp (Hg.): Der Betrachter ist im Bild […], 1992, S.7-28
 

Brian O’Doherty: Die weiße Zelle und ihre Vorgänger, in: Wolfgang Kemp (Hg.): Der Betrachter ist im Bild […].,  1992, S.333-347
Gender Studies 
 
feministische Kunstgeschichte /
verschiedene VertreterInnen seit Anfang der 1970er Jahre, z.B.:

Linda Nochlin (1931-), Lucy Lippard (1937-), Griselda Pollock (1949-), Jutta Held (1933-2007), Carol Duncan
* weniger eine Methode , schon gar nicht einheitlich, vielmehr ein >Ansatz , bei dem grundsätzlich die traditionellen und scheinbar objektiven Grundkategorien der Kunstgeschichte aufgezeigt und hinterfragt werden
 
v.a. 2 Hauptbereiche der fem. Kunstgeschichte:
1.)(Re)Konstruktion einer Künstlerinnengeschichte
2.) Analyse und Interpretation aus der Sicht der feminist. KG
a) gibt es eine ‘weibliche Sicht’, eine ‘weibliche Ästhetik’?
(auf Künstlerinnen bezogen)
b) gibt es einen ‘männlichen Blick’? (auf die dargestellte Frau bezogen, ihre ‘Rolle’)
Griselda Pollock, Avant-Garde Gambits 1888-1893. Gender and Colour of Art History. London 1992
 
Linda Nochlin, Why have there been no great women artists?, zuerst 1971 erschienen
(dt. in B.Söntgen (Hg.): Rahmenwechsel. Kunst-geschichte als feministische Kulturwissenschaft. Berlin 1996, S.27-56)
Kunstgeschichte als Mediengeschichte
  Untersucht Kunstwerke vor dem Hintergrund der visuellen Medien Carl Aigner: Im Bilde der photographie: ein Plädoyer für Kunstgeschichte als Mediengeschichte, 2008. In: Kunst Beziehung, 247-250.