Denkraum Kunstgeschichte

 Methodik

Giovanni Morelli
(pseud. Ivan Lermolieff)

*25.02.1816 Verona; †28.02.1891 Mailand
italienischer Kunsthistoriker, Arzt und Politiker

 

1880 Morelli (Lermolieff) Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin.

Giovanni Morelli studierte ab 1834 in München Medizin mit dem Schwerpunkt Anatomie; es folgten Aufenthalte in Erlangen, Berlin und Paris. Durch die Vermittlung der mit ihm befreundeten Brüder Frizzoni lernte er u.a. Carl Friedrich von Rumohr und August von Plathen kennen; in München verkehrte er u.a. mit den Malern Wilhelm von Kaulbach und Bonaventura Genelli, in Erlangen mit dem Dichter Friedrich Rückert und in Berlin mit Bettina von Arnim. Schon früh war sein Interesse für die Malerei geweckt, die er in den Museen eingehend studierte, auch wenn sich dies erst spät in seinem beruflichen Werdegang manifestierte. Er entwickelte die sogenannte Morellische Methode, die auf der Kennerschaft des Oeuvres eines Künstlers aufbaut: Basierend auf dem Ausgangsgedanken, dass sich die subjektive Handschrift eines Malers unbewusst in der Darstellung nebensächlicher Details wie z.B. der Ohrmuscheln, der Finger und Hände, der Form von Fingernägeln etc. äußere, untersuchte er die Gemälde einzelner Künstler in den großen Galerien werkkritisch. Mit diesem vergleichend-empirischen Ansatz gelang ihm die Revision verschiedener Werkzuschreibungen: So konnte er z.B. das Gemälde Schlafende Venus in der Dresdener Galerie endgültig Giorgione zuschreiben. Dieses Bildnis galt zuvor als Werk des Malers Sassoferrato in Kopie eines verlorengegangenen Werkes von Tizian. Seiner Methode standen Fachkollegen wie z.B. Wilhelm von Bode und Max J. Friedländer ablehnend gegenüber (s. U. Kultermann: Geschichte der Kunstgeschichte, 2. überarb. und erw. Auflage, München 1996, S. 105-109; R. Prange, Die Geburt der Kunstgeschichte, Köln 2004, S. 174-177).

 

Weitere Schriften (Auswahl):

  • Ivan Lermolieff: Kunstkritische Studien über italienische Malerei, Leipzig 1890-93
  • Giovanni Morelli / Jean Paul Richter: Italienische Malerei der Renaissance im Briefwechsel von Giovanni Morelli und Jean Paul Richter, hrsg. von Irma Richter, Baden-Baden 1960

Weiterführende Literatur (Auswahl):

  • Pfisterer, Ulrich: Giovanni Morelli, in: Pfisterer, Ulrich (Hrsg.): Klassiker der Kunstgeschichte, Band 1, München 2007, S. 92-109
  • Locatelli, Valentina: Die Jugendentwicklung Raffaels. Ivan Lermolieff liest Anton Springer: Ein Beispiel der Auseinandersetzung Morellis mit dem deutschen Gelehrtentum, in: Raffael als Paradigma, hrsg. von Hess, Gilbert, Elena Agazzi und Elisabeth Décultot, Berlin 2012, S. 337-365