Methodik
Notwendigkeit und Nützlichkeit Eine wichtige Voraussetzung dafür, den Zusammenhang zwischen verschiedenen Teilbereichen und Sachgebieten der Kunstgeschichte zu durchschauen, besteht darin, sich einen Überblick über die wichtigsten Ansätze und Fragestellungen zu verschaffen. Dies ist allerdings kein leichtes Unterfangen. Die zunehmende Theoretisierung hat inzwischen auch in der Kunstwissenschaft zur Entwicklung einer Vielzahl miteinander konkurrierenden Ansätze und Methoden geführt. Inzwischen hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass jede Form von Erkenntnis und Beobachtung theoriegeleitet ist. Wenn einen Analyse oder Interpretation eines Kunstwerks den Kriterien wie Plausibilität und Kohärenz genügen soll, muss sie theoretisch fundiert sein. Studierende kommen heutzutage aus verschiedenen Gründen gar nicht umhin, sich mit theoretischen Ansätzen und Grundbegriffen zu beschäftigen. Ein zunehmend großer Teil der Sekundärliteratur erschließt sich nur auf der Basis von Grundkenntnissen neuer Ästhetik- oder Bildtheorien. Das Methodenbewusstsein ist somit für selbstständiges wissenschaftliches Arbeiten notwendig. Studierende können die Vorzüge von leistungsstarken Theorien und klar definierte Analysekategorien selbst zunutze machen, indem sie verschiedene Ansätze prüfen, um diejenigen Modelle und Methoden auszuwählen die für das eigene Thema und die jeweilige Fragestellung am besten geeignet sind. Die Erarbeitung von theoretischen Grundlagen und Methoden ist somit eine wichtige Voraussetzung dafür, sich transferierbare Fähigkeiten anzueignen und selbstständig zu weiterführenden Fragestellungen zu gelangen.
Methoden Der Begriff der Methode, der im Griechischen so viel wie 'Weg zu etwas hin' bedeutet, bezeichnet definierte, planmäßige und kontrollierbare Vorgehens- und Behandlungsweisen. Er bezieht sich auf die Art und Weise, wie man zu einem bestimmten Ziel gelangt. Methoden sind definiert durch eine systematische Abfolge von bestimmten Regeln, Prinzipien oder Analyseschritten, die von gewissen Fragestellungen und Ausgangsbedingungen zu einem vorgegebenen Ziel führen. Unterschiedliche Methoden führen zu unterschiedlichen Resultaten. In systematischer Hinsicht grenzt sich eine Methode der Interpretation dadurch von anderen ab, dass sie bestimmte Aspekte ihres Gegenstandes als wesentlich heraushebt und in einen Argumentationszusammenhang bringt, während sie andere (die vielleicht von einer konkurrierenden Methode privilegiert werden) ignoriert oder vernachlässigt. Wie bereits erwähnt gibt es in der Kunstgeschichte eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Methoden. Daher spricht man von einem 'Methodenpluralismus'. Um verschiedene Fragestellungen beantworten und Ziele erreichen zu könne, bedarf es der Anwendung ganz unterschiedlicher Theorien und Methoden. Eine Typologie (d.h. eine Einteilung nach verschiedenen Arten) der vorherrschenden Ansätze kann dazu beitragen, die Orientierung im Methodenpluralismus zu erleichtern. Sie ermöglicht die Einordnung der verschiedenen Strömungen und verdeutlicht, welche Fragestellungen man an einen Kunstgegenstand herantragen kann und welche Aspekte dabei jeweils in den Vordergrund rücken.
Werkzentrierte vs. Kontextorientierte Ansätze Je nachdem, ob das Augenmerk dem künstlerischen Werk oder seiner Beziehung zu den verschiedenen Kontexten, in die jedes Kunstwerk eingebettet ist, gilt, kann man eine erste Einteilung in werkzentrierte oder kontextorientierte Ansätze vornehmen. Die Unterscheidung kontextorientierter Ansätze hängt davon ab, auf welche der verschiedenen Bezugsebenen (Künstler-Werk, Werk-historische Wirklichkeit, Werk-andere Werke oder Werk-Betrachter) sich die Aufmerksamkeit jeweils richtet. Außerdem können sowohl künstler- als auch betrachterorientierte Ansätze primär psychologisch, soziologisch oder historisch ausgerichtet sein. Die folgende Aufstellung verdeutlicht, auf welche Aspekte des Beziehungsgefüges Künstler-Werk-Betrachter-historische Wirklichkeit sich die verschiedenen Ansätze und Methoden vorrangig konzentrieren. (Schaubild folgt in Kürze)
Funktionen von Methoden Diese Typologie und die knappen Hinweise reichen zwar für ein genaues Verständnis der Besonderheiten der verschiedenen, zum Teil sehr komplexen Ansätze noch nicht aus, aber sie können die erste Orientierung erleichtern. Man sollte sich möglichst schnell einen groben Überblick darüber verschaffen, womit sich die jeweiligen Ansätze vorrangig beschäftigen. Welchen Ansatz- und welchem Analyse- bzw. Interpretationsverfahren man den Vorzug gibt, hängt von der jeweiligen Fragestellung, dem Erkenntnisinteresse, dem Thema und dem Untersuchungsobjekt ab. Darüber hinaus hängt die Vorgehensweise von der jeweiligen Gattung und Epoche , zu der die behandelten Werke zu zählen sind. Welche spezifischen Zugänge und Analysekategorien es gibt wird an einer anderen Stelle verdeutlicht. Ratsam erscheint es Theorien und Methoden gegenüber eine zugleich offene und kritische Haltung zu entwickeln, unterschiedliche Ansätze zu vergleichen und sich ein eigenständiges Urteil über deren jeweilige Vorzüge und Nachteile zu bilden. Der Prüfstein für den Wert von Ansätzen liegt letztlich darin, ob sie sich als produktiv erweisen und ob sie neue Betrachtungsarten und neue kunstgeschichtliche Wirklichkeiten erschließen.
Lektüretipps Methodik: Wolfgang Brassat/ Hubertus Kohle: Methoden-Reader Kunstgeschichte, Köln 2003, 2. Aufl. 2009; Jutta Held/Norbert Schneider: Grundzüge der Kunstwisschenschaft: Gegenstandsbereiche, Institutionen, Problemfelder, Köln (u.a.) 2007; Ulrich Pfisterer (Hrsg.): Klassiker der Kunstgeschichte, 2 Bde., München 2007/2008; (Georg W. Bertram: Kunst. Eine philosophische Einführung, Ditzingen 2005)
Zur Geschichte der Kunstgeschichte: Heinrich Dilly: Kunstgeschichte als Institution. Studien zur Geschichte einer Disziplin, Frankfurt am Main 1979; Udo Kultermann: Geschichte der Kunstgeschichte. Der Weg einer Wissenschaft, 2. überarb. und erw. Auflage München 1996; Regine Prange: Die Geburt der Kunstgeschichte. Philosophische Ästhetik und empirische Wissenschaft, Köln 2004; Ulrich Pfisterer (Hrsg.): Klassiker der Kunstgeschichte, 2 Bde., München 2007/2008; Richard Shone/ John-Paul Stonard (Hrsg.): 16 Klassiker der Kunstgeschichte, Bern (u.a.) 2015