Denkraum Kunstgeschichte

 Epochenüberblick

Konkrete Kunst

"Den Begriff Konkrete Kunst führt 1924 der niederländische Maler und Kunsttheoretiker Theo van Doesburg ein, 1930 legt er ihn in dem Manifest anlässlich der Gründung der Gruppe "Art Concret" fest. Diese Bezeichnung sollte hervorheben, dass die Konkrete Kunst als nicht "abstrakt" angesehen wird, da sie nichts in der materiellen Wirklichkeit Vorhandenes abstrahiert, sondern vom unmittelbaren Umgang mit den konkreten Bildmitteln Linie, Farbe, Fläche, Volumen und Raum ausgeht. Es wird also unterschieden zwischen abstrakter und gegenstandsloser Malerei und Plastik. Die Konkrete Kunst materialisiert Geistiges, besitzt keinerlei symbolische Bedeutung. "Die Malerei ist ein Mittel, um auf optische Weise den Gedanken zu verwirklichen", erläutert Doesburg. Max Bill schreibt 1947: "Das Ziel der Konkreten Kunst ist es, Gegenstände für den geistigen Gebrauch zu entwickeln, ähnlich wie der Mensch sich Gegenstände schafft für den materiellen Gebrauch. (...) Konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben." Im Gegensatz zum Konstruktivismus konzentriert sich die Konkrete Kunst auf das Zusammenspiel von Form und Farbe; ihr Interesse gilt der Erforschung der Farbe und dem wissenschaftlichen Denke" (s. http://www.kettererkunst.de/lexikon/konkrete-kunst.php - Zugriff 11.11.2015).

Konkrete Kunst vor 1945

"Die Konkrete Kunst entwickelte sich in den 1920er Jahren als bewusster Gegenentwurf zur abstrakten Kunst. Gerade im Vergleich beider Kunstformen manifestiert sich der ebenso revolutionäre wie radikale Anspruch der Konkreten Kunst. Zwar bediente sich die Konkrete Kunst derselben bildnerischen und gestalterischen Mittel wie die geometrisch-abstrakte Kunst, doch liegt der fundamentale Unterschied darin, dass Konkrete Kunst nicht länger vom Gegenständlichen abstrahiert und somit auch keine Bezugnahme auf die erfahrbare Realität herstellt. Vielmehr verweisen Winkel, Linien und klar umrissene geometrische Farbflächen einzig auf sich selbst und schaffen dadurch eine eigene bildimmanente Kunstwirklichkeit. In Anlehnung an G.W.F. Hegel findet darüber hinaus der geistige Vorgang des Kunstschaffens in den klar strukturierten Werken visuellen Ausdruck. Charakteristisch für die Konkrete Kunst ist ferner, dass der Einsatz der bildnerischen Mittel Farbe, Linie, Fläche und Raum nach logischen Gesetzmäßigkeiten vonstattengeht.

Obwohl Theo van Doesburg (1883-1931) die Bezeichnung Konkrete Kunst bereits 1924 prägte, erfolgte erst 1930 im Zuge der Gründung der Gruppe "Art Concret", zu deren Kreis unter anderem Jean Hélion, Léon Tutundjian und Marcel Wantz gehörten, die theoretische Fundierung dieser Kunstform. In der ersten - und einzigen - Nummer der Zeitschrift "Art Concret" veröffentlichte Theo van Doesburg das Manifest der Konkreten Kunst und erläuterte, dass ein Bildelement keine andere Bedeutung als sich selbst habe und folglich auch das Gemälde nichts anderes als sich selbst bedeute.

Für die Verbreitung der Konkreten Kunst noch in den 1930er Jahren sorgte neben der Gruppe "Art Concret" auch die 1931 gegründete Vereinigung "Abstraction-Création". Die wegweisenden Impulse der Konkreten Kunst fielen insbesondere in der Schweiz auf fruchtbaren Boden, entstanden hier doch mit der Zürcher Schule der Konkreten und der Gruppe "Allianz" wichtige Künstlervereinigungen. Die wichtigsten Schweizer Konkreten Künstler sind Max Bill, Camille Graeser und Richard Paul Lohse.

Auch nach 1945 fand ein reger künstlerischer Austausch statt, der bis weit über die Grenzen der Konkreten Kunst hinaus auf Kunstströmungen wie Hard Edge und Colour Field Painting wirkte" (s. http://www.kettererkunst.de/lexikon/konkrete-kunst-vor-1945.php - Zugriff 11.11.2015).

Konkrete Kunst 1945-1960

"Seitdem Theo van Doesburg in der Zeitschrift "Art Concret" im Jahr 1930 erstmals die grundlegenden Prinzipien der Konkreten Kunst formuliert hatte, ist die Entwicklung dieser Kunstform vor allem in der Zeitspanne zwischen 1945 und 1960 gekennzeichnet durch eine fortschreitende Systematisierung ihrer Formensprache. Die werkimmanente Ordnung erhielt immer größere Bedeutung. Dieser Prozess, der die unmittelbaren Voraussetzungen für die Op Art lieferte, als deren wichtigste Künstlerin Bridget Riley (geb. 1931) gilt, lässt sich formal daran erkennen, dass die Bildräume zunehmend mit seriell erzeugt wirkenden, kleinteiligen Formen gleichmäßig ausgefüllt werden; beim Betrachter wird dadurch der Eindruck von Dynamik und Bewegung evoziert. Der theoretisch fundierte Anspruch der Konkreten Kunst, nicht länger vom Gegenständlichen zu abstrahieren, sondern eine eigene bildimmanente Realität zu kreieren, blieb jedoch stets erhalten.

Zu den bedeutendsten Vertretern der Konkreten Kunst nach 1945 zählen unter anderem Julio Le Parc, François Morellet, Gerhard von Graevenitz und Richard Paul Lohse. Richard Paul Lohse (1902-88) gehörte ferner, zusammen mit Max Bill und Camille Graeser, zur bereits seit den 1930er Jahren bestehenden Gruppe der Zürcher Konkreten, die auch nach 1945 aktiv war.

Max Bill (1908-94) reflektierte überdies auf theoretischer Ebene die strukturellen Erfordernisse, die er an die Konkrete Kunst stellte. Er hielt seine Gedanken in dem Essay "Die mathematische Denkweise in der Kunst unserer Zeit" (1949) fest und veröffentlichte zwischen 1944 und 1945 das Magazin "abstrakt konkret". Für die Positionierung der Konkreten Kunst sind außerdem die von Max Bill organisierten Werkschauen "konkrete kunst" (Basel 1944) und "konkrete kunst. 50 jahre entwicklung" (Zürich 1960) von größter Bedeutung. In Italien ist mit dem "Movimento Arte Concreta" ebenfalls eine eigene Bewegung zu verzeichnen.

Jenseits dieser Entwicklung nimmt das Werk von Josef Albers (1888-1976), der 1933 in die USA emigrierte, eine herausragende Stellung innerhalb der Konkreten Kunst ein: In seinem Spätwerk führte er die Variation des Quadrates ("Homage to the Square", ab 1949) in technisch präziser Ausführung und höchster Fokussierung auf die konzentrierten bildnerischen Mittel Form und Farbe zur Vollendung" (s. http://www.kettererkunst.de/lexikon/konkrete-kunst-1945-1960.php - Zugriff 11.11.2015).

Werkbeispiele:

  • Theo van Doesburg, Reine Malerei, 1920, Musée National d'Art Moderne, Paris
  • Jean Hélion, Tensions circulaires (Spannungskreise), 1931/32, Centre d'Art et de Communication de Vaduz, Vaduz/Liechtenstein
  • Richard Paul Lohse, Sechszehn progressive asymmetrische Farbgruppen innerhalb eines symmetrischen systems, 1956/1962/66, Richard Paul Lohse-Stiftung, Zürich
  • Max Bill, Kontinuität, 1983-86, Taunusanlage, Frankfurt am Main

Weiterführende Literatur (Auswahl):

  • Weinberg Staber, Margit (Vorw.):Bill, Glarner, Graeser, Loewensberg, Lohse (Ausstell.kat. Galerie Beyerle), Basel 1977
  • Spies, Werner: Kontinuität. Granit-Monolith von Max Bill, Dortmund 1986
  • Lauter, Marlene (Hrsg.): Ausgerechnet...; Mathematik und Konkrete Kunst (Ausstell.kat.), Baunach 2008
  • Schröder, Britta: Konkrete Kunst: mathematisches Kalkül und programmiertes Chaos, Berlin 2008